Interview mit Dr. Göbels, Leiter des Gesundheitsamtes Düsseldorf

„Kurzbio“ über Sie:

Mein Name ist Klaus Göbels, ich bin der Leiter des Gesundheitsamtes in Düsseldorf. Von Hause aus bin ich Internist und Infektiologe, ich war tätig an der Charité in Berlin und später am Universitätsklinikum Düsseldorf. Nach dem Public Health Studium an der London School of Hygiene and Tropical Medicine bin ich ans Gesundheitsamt in Düsseldorf gewechselt und arbeite seit 2009 auch vermehrt im Bereich der Impfmedizin.

 

Ich lasse mich impfen, weil ...

Ich lasse mich impfen weil es absolut sinnvoll ist und durch Impfungen schwere Erkrankungen verhindert werden können.

 

10 Fragen an Dr. Goebels

 

Wie lange liegt Ihre letzte Impfung zurück und wogegen haben Sie sich immunisieren lassen?

Ich habe mich zuletzt vor einer Reise nach Vietnam im April 2019 impfen lassen, insbesondere gegen Typhus und Influenza. 
 

Sie haben in Ihrem Beruf eine besondere Stellung im Impfsystem. Sie beobachten Impfquoten und Ausbrüche und leiten dann entsprechende Maßnahmen ein, um diesen vorzubeugen oder sie einzugrenzen. Was sehen Sie als größte Herausforderung in Ihrem Beruf?

Aktuell haben wir in Düsseldorf einen kleineren Pertussis Ausbruch an einer impfkritischen Schule. Eine Herausforderung für mich ist immer, in einer solchen Situation mich in die Denkweise derer hinein zu versetzen, die zum Teil nicht nur Impfungen sondern auch Antibiotikatherapien bei Kindern ablehnen. 
 

Was stört Sie am meisten am Impfwesen in Deutschland und warum haben Sie sich dazu entschieden, sich gesondert für Impfungen einzusetzen? Warum liegt Ihnen das Thema Impfungen persönlich am Herzen?

Besonders peinlich finde ich, dass wir trotz aller Ressourcen, die in einem Industrieland zur Verfügung stehen, nicht in der Lage sind, die von der WHO geforderten Impfquoten, zum Beispiel bei Masern, zu erreichen. Vielleicht müssten wir einfach neue Wege gehen, um hier erfolgreicher zu sein, als wir es in der Vergangenheit waren. Impfungen sind ein sehr gutes Werkzeug um schwerwiegende Erkrankungen zu verhindern, Erkrankungen die in unserer Gesellschaft aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden sind. 
 

In Europa wird zu wenig geimpft. Gründe hierfür sind vielfältig. Unter anderem werden gefährliche Krankheiten wie die Masern oder auch Polio als harmlos oder zu selten abgetan. Dazu kommen Lieferengpässe und eine hohe Impfbürokratie. Wo sehen Sie die Kernprobleme und Hindernisse im Kampf für mehr Impfungen?

Die Durchimpfung der Kleinkinder, Schülerinnen und Schüler in Deutschland ist durchaus als befriedigend anzusehen. Eine schwierige Gruppe stellen junge Erwachsene dar, hier sind insbesondere die Männer zu nennen, da diese seltener eine Arztpraxis präventiv aufsuchen um ihren Impfstatus überprüfen zu lassen. Häufig werden relevante Impfungen erst im Rahmen einer Auslandsreise nachgeholt, für die eine Indikation schon viele Jahre vorher bestanden hätte. 
 

Was lässt sich Ihrer Meinung nach noch verbessern beim Impfgeschehen in Deutschland und was wünschen Sie sich für die Zukunft bezüglich des Impfwesens? Welche Rolle messen Sie Online-Lösungen wie beispielsweise Apps zu?

Zuallererst müssen wir die Akzeptanz für Impfungen in Deutschland bei denjenigen verbessern, die häufig nicht den Weg in die Arztpraxen finden. Online Lösungen wie eine App können durchaus eine Unterstützung sein, vor allem jüngere Menschen zu erreichen. 
 

In einer gewissen Weise halten Sie den Impfstatus der gesamten Bevölkerung im Auge und erheben dazu Statistiken und Studien. Wie halten Sie Ihren eigenen Impfschutz und den Ihrer Familie aktuell?

Meine Frau,  die ebenfalls Ärztin ist sowie die Kinder sind gut durchgeimpft. ich habe sehr großen Wert darauf gelegt dass beide Kinder auch gegen Meningokokken B  geimpft wurden da ich während meiner klinischen Tätigkeit einige Meningokokkenerkrankungen  gesehen habe, deren zum Teil schwerer Verlauf mich sehr beeindruckt hat. 
 

Ich bin mir sicher, dass sich Ihre Einstellung gegenüber Impfen und Gesundheitsprävention generell durch Ihre Tätigkeit verändert hat. Welches waren eindrückliche Erlebnisse und was haben Sie erlebt, was Sie positiv verblüfft oder negativ schockiert hat?

Ich findet immer wieder interessant, wie die Akzeptanz der verschiedenen Impfungen in der Bevölkerung verteilt ist. Zum Beispiel wird die Tetanusimpfung von den allermeisten ohne Rückfragen akzeptiert, während eine Impfung gegen Influenza häufig abgelehnt wird. Insbesondere mit den Argumenten, dass man von der Impfung krank würde, meist wird dann ein Beispiel eines Arbeitskollegen oder Freundes genannt, der nach einer Impfung erkrankt sei. Dies verblüfft mich immer sehr. 

Impfpflicht in Europa: Ja oder nein?

Eine Impfpflicht sollte in Europa in der heutigen Zeit als ultima Ratio angesehen werden. Solange nicht alle anderen Maßnahmen, wie die Aufklärung der Bevölkerung und die eben schon erwähnten Maßnahmen nicht vollends ausgeschöpft sind, halte ich eine Impfpflicht für schwierig umzusetzen. Dennoch begrüße ich es, dass sich Herr Spahn so offensiv mit dem Thema auseinander setzt, die Zeit des Zuwartens ist vorbei. Dennoch sollte man im Vorfeld finanzielle Anreize beziehungsweise Sanktionen prüfen, um die Impfquote zu entsprechend zu erhöhen. 
 

Warum?

Siehe oben. 


Unter Anbetracht der eindrücklichen Erfahrungen, die sie machen durften: Was würden Sie einem Impfkritiker in Deutschland gerne mit auf den Weg geben? Wie gehen Sie mit dogmatischen Impfgegnern um?

Ich denke den Kritikern würde es helfen, wenn sie sich mit den Folgen der Erkrankungen besser auseinandersetzten. Hier ist insbesondere die SSPE, nach einer Masern Infektion als Folgeerkrankung zu nenne, die man  mit der MMR-Impfung verhindern kann. Ich glaube viele Impfgegner sind überhaupt nicht über die Folgen der Erkrankungen informiert und stützen sich vielmehr auf sicherlich vorhandene, aber doch gut einschätzbare Nebenwirkung der Impfungen. Glücklicherweise finden dogmatische Impfgegner nicht den Weg in unsere Sprechstunde, so dass dies zumindest bei uns ein untergeordnetes Problem ist.