Röteln

1. Die Erkrankung

Bei Röteln handelt es sich um eine weltweit verbreitete hochansteckende Viruserkrankung, welche durch das Rötelnvirus (wissenschaftlich: Rubella virus) ausgelöst wird. Die Erkrankung ist auch unter dem Namen „Rubella“, „Third disease” und „German measles” bekannt und betrifft vor allem Kinder im Alter von 5 bis 9 Jahren. Sie beginnt meist mit Zeichen eines leichten grippalen Infekts, gefolgt von einem fein- bis mittelfleckigem Ausschlag, welcher hinter den Ohren beginnt und sich dann über den gesamten Körper ausbreitet. Zusätzlich kommt es oft zu einer Lymphknotenschwellung im Nackenbereich. Die Übertragung erfolgt durch eine Tröpfcheninfektion, der generelle Krankheitsverlauf ist meist mild. Wenn die Infektion jedoch schon während der Schwangerschaft oder unter der Geburt stattfindet, kann es zu Komplikationen mit schweren Fehlbildungen (siehe unten) kommen.1

 

1.1 Der Erreger

Das Rötelnvirus ist ein umhülltes RNA-Virus (RNA steht für ribonucleic acid), dass in der Familie der Togaviridae dem Genus Rubivirus zugeordnet wird. Der Mensch ist der einzige bekannte natürliche Wirt für das Rötelnvirus.2

 

1.2 Epidemiologie (Verbreitung und Übertragbarkeit)

Die Übertragung erfolgt durch eine Tröpfcheninfektion, also über Speichel, der beim Husten, Niesen oder Atmen in die Luft gelangt und von anderen aufgenommen wird. Möglich ist auch eine Übertragung während der Schwangerschaft durch die Plazenta hindurch. In diesem Fall spricht man von einer diaplazentaren Übertragung. Die Ansteckungsgefahr, auch Kontagiosität genannt, ist hoch: die Wahrscheinlichkeit, dass eine infizierte Person erkennbar erkrankt, liegt bei 50%. Die infizierten Personen sind 7 Tage vor bis 7 Tage nach Beginn des Ausschlags infektiös und die Inkubationszeit beträgt 14 bis 21 Tage. Allerdings können Kinder, welche sich im Mutterleib (konnatal) mit Röteln infiziert haben, das Virus noch ein Jahr lang weiter ausscheiden.3

In Deutschland liegt der Altersgipfel zwischen 5 bis 9 Jahren, wobei sich auch immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene anstecken.1

 

1.3 Pathogenese (Entstehung und Entwicklung der Krankheit)

Röteln sind eine Allgemeininfektion. Das heißt, sobald das Virus im Körper ist, breitet es sich kontinuierlich über den ganzen Organismus aus. Die Erkrankung ist eher mäßig infektiös und hat in Europa eine Basisreproduktionszahl (R0) von 3 bis 8. Dieser Wert gibt die Anzahl der Menschen an, die eine erkrankte Person im Durchschnitt infiziert, wenn noch kein Mitglied der Population gegen den Erreger immun ist. Das heißt konkret, dass ohne Schutzmaßnahmen wie Impfungen ein Rötelnpatient im Schnitt 3 bis 8 weitere Personen ansteckt. Hat man sich mit Röteln infiziert, kann es 2 bis 3 Wochen dauern bis erste Symptome auftreten. Mediziner nennen diesen Zeitraum Inkubationszeit. In dieser Zeit vermehrt sich das Virus in den Atemwegen, genauer gesagt im Epithel des oberen Respirationstrakts. Der Erreger gelangt über die Lymphbahnen oder auf direktem Weg in die Blutbahn und verbreitet sich so über den ganzen Körper.2

 

1.4 Immunreaktion

Bis zu 50% der Infektionen verlaufen asymptomatisch, also ohne erkennbare Anzeichen der Erkrankung. Normalerweise sind Röteln eine harmlose Kinderkrankheit, welche im Frühjahr gehäuft auftritt.3

Es werden zwei Formen unterschieden:

Postnatale (nachgeburtliche) Infektion / Ansteckung durch Tröpfcheninfektion

Hier besteht häufig nur eine geringe Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes mit eher milden Symptomen. Zuerst kommt es zu einer Lymphknotenschwellungen (besonders im Hals- und Nackenbereich) und Vorzeichen, wie Kopf- und Gliederschmerzen, leichte Temperaturerhöhung bis 38°C sowie einer Entzündung von Nasenschleimhaut, Bindehaut und Augenlidern (Rhinokonjunktivitis). Anschließend folgt ein rosaroter, klein- bis mittelfleckiger, gering erhabener (hervorstehender) Hautausschlag. Dieser beginnt hinter den Ohren und im Gesicht, breitet sich über Körper und Extremitäten aus und ist nach ein bis drei Tagen wieder verschwunden. Bei Kindern zeigt sich häufig nur ein Hautausschlag, während bei Erwachsenen die Frühsymptome, wie beispielsweise Gelenkschmerzen, häufiger auftreten.2

 

Komplikationen:

Die Komplikationen sind generell selten, jedoch kommt es vor allem bei älteren erkrankten Personen zunehmend zu Komplikationen. Diese sind z.B. Gelenkschmerz (Arthralgie, welcher v.a. ältere Kinder betrifft) und Gelenkentzündung (Arthritis), eine Entzündung der Ohren (Otitis), der Bronchien (Bronchitis), des Gehirns (Enzephalitis), des Herzmuskels oder des Herzbeutels (Myo- und Perikarditis) oder ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie). Durch die Thrombozytopenie können kleinfleckige Hautblutungen (Purpura) und stärkere Blutungen (Hämorrhagien) entstehen.2

 

Prognose:

In der Regel heilt die Erkrankung jedoch folgenlos aus und der Hautausschlag bildet sich rasch zurück. Die Gelenkschmerzen können allerdings einige Wochen anhalten. 1

 

Infektion während der Schwangerschaft und Geburt:
Konnatale (im Mutterleib oder während der Geburt erworbene) Rötelnembryofetopathie (CRS)

Nachdem das Rötelnvirus die Nasen-Rachen-Schleimhaut befallen hat, breiten sich die Viren im Blut aus (Virämie). Während der Schwangerschaft kann dies zu einer Infektion des ungeborenen Kindes über die Plazenta führen. Eine solche Infektion kann bei dem sich entwickelnden Fetus schwere Schäden zur Folge haben, deren Häufigkeit und Schweregrad vom Infektionszeitpunkt während der Schwangerschaft abhängen. Wenn sich die Mutter im ersten Trimester der Schwangerschaft mit Röteln infiziert, ist die Gefahr der Entwicklung eines CRS besonders hoch. CRS steht hierbei für Congenital Rubella Syndrome. Es wurden bei bis zu 90% der Feten Schädigungen festgestellt. Ist die zwölfte Schwangerschaftswoche überstanden, sinkt das Risiko für schwere Schäden stufenweise. Das Risiko von bis zu 90% im ersten Schwangerschaftstrimester nimmt ab der 13. bis zur 16. Schwangerschaftswoche deutlich ab. Nach der 20. Schwangerschaftswoche wurden nur noch in Ausnahmefällen von Schädigungen des Kindes berichtet.2

Ist ein Fetus im frühen Schwangerschaftsstadium dem Röteln-Virus ausgesetzt, entstehen vor allem bei der Organentwicklung Schäden. Die häufigsten Defekte betreffen die Augen (Katarakt), das Herz (offener Ductus arteriosus) und die Ohren (Innenohrtaubheit). Dies in Kombination wird von Medizinern auch als Gregg´sche Trias bezeichnet. Weitere mögliche Symptome sind Hauteinblutungen, die durch einen Mangel an Blutplättchen entstehen (thrombozytopenische Purpura), ein geringes Geburtsgewicht, eine Leber- und Milzvergrößerung (Hepatosplenomegalie) oder eine Entzündung von Leber (Hepatitis), Gehirn (Enzephalitis) oder Herzmuskel (Myokarditis). Auch eine Fehlbildung des Kopfes, bei welcher der Schädel verglichen mit dem Normalzustand zu klein ist (Mikrozephalie), kann auftreten. Außerdem besteht bei einer erstmaligen Rötelninfektion im 1.-4. Schwangerschaftsmonat das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt. Insgesamt liegt die Sterblichkeitsrate eines infizierten Fetus, auch Letalität genannt, bei 15-20%.2

Diagnostik:

Die reine klinische Diagnose ist relativ unzuverlässig. Zusätzlich sollte bei jedem Rötelnverdacht immer eine Labordiagnostik mittels Rachenabstrich, Urinprobe und/oder Serumprobe veranlasst werden.2

 

1.5 Therapie

Infiziert sich eine Person nach der Geburt mit Röteln (postnatal), ist eine weiterführende Behandlung in der Regel nicht erforderlich und erfolgt nur symptomatisch. Das bedeutet, dass nur die Krankheitsanzeichen (Symptome) behandelt werden. Dazu gehören zum Beispiel körperliche Schonung, Fiebersenkung und Schmerzbehandlung.2

In besonderen Fällen können Rötelnimmunglobuline (Rötelnantikörper) bis 7 Tage nach dem Kontaktzeitpunkt mit dem Virus, auch Exposition genannt, verabreicht werden. Dieser Sonderfall betrifft besonders ungeimpfte Schwangere, die sich mit Röteln infiziert haben oder Kontakt mit einer infizierten Person hatten. Durch die Antikörper, auch die Immunglobluline genannt, können die klinischen Symptome abgeschwächt und die Virusausscheidung gesenkt werden. Eine Infektion des Fetus und das damit verbundene Risiko einer Rötelnembryofetopathie kann man jedoch nicht sicher verhindern.2

Personen mit einer konnatalen Rötelninfektion benötigen eine umfassende Betreuung durch verschiedene Fachbereiche (u.a. Pädiatrie, Kardiologie, Herzchirurgie, HNO, Augenheilkunde).4

 

1.6 Spätfolgen einer Infektion

Welche Spätfolgen auftreten können, hängt unter anderem damit zusammen, welche Komplikationen im Krankheitsverlauf auftreten. Tritt während der Erkrankung beispielsweise ein Mangel an Blutplättchen auf, empfiehlt es sich, zusätzlich zu den allgemeinen Vorsorgeuntersuchen, diesen Wert auch weiterhin regelmäßig von Arzt oder Ärztin überprüfen zu lassen. Eine Auflistung der möglichen Komplikationen findet sich unter Punkt 1.4 im Abschnitt Komplikationen. Übrigens: Die häufigsten Spätfolgen einer CRS sind Taubheit, Sehstörungen, Herzprobleme und geistige Retardierung.3

 

2. Der Impfstoff

Die Röteln-Impfung stellt immer eine Kombinationsimpfung dar. Das heißt, dass die Röten-Impfung auch vor anderen Krankheiten wie Mumps oder Masern schützt.  

Zusatzwissen: Welche Impfungen gibt es gegen Röteln?

Genau genommen gibt es sogar verschiedene Impfstoffe für die Röteln-Impfung. Für die Kombinationsimpfung von Masern Mumps und Röteln, kurz MMR genannt, verwendet man die Lebendimpfstoffe M-M-RVAXPRO oder Priorix. 

Eine weitere Kombinationsimpfung schützt zusätzlich vor Windpocken. Weil Windpocken in der Medizin Varizellen genannt werden, lautet die Abkürzung MMRV (Masern Mumps Röteln Varizellen). Für diese Impfung verwendet man die Lebendimpfstoffe Priorix-Tetra oder ProQuad. 

Die Impfung gegen Röteln wird seit 1991 empfohlen (damals noch mit Einfachimpfstoff). Der erste MMR-Impfstoff wurde 1997 zugelassen.1 Einzelimpfstoffe sind in Deutschland seit 2012 nicht mehr verfügbar.

 

2.1 Wirkmechanismus

Beim Röteln-Impfstoff, welcher heute als Kombinationsimpfstoff MMR oder MMRV (s.o. Punkt 2) verabreicht wird, handelt es sich um einen Lebendimpfstoff.2 Lebendimpfstoffe enthalten zwar, wie der Name bereits vermuten lässt, lebende Erreger, die sich noch vermehren können. Allerdings wurden diese bei der Herstellung so abgeschwächt (= attentuiert), dass sie nicht in der Lage sind, die entsprechende Erkrankung auszulösen.

Bereits nach einer Impfung sollte ein Impfschutz (Immunität) bestehen. Die zweite Impfung wird verabreicht, um den Impfschutz vereinzelter Personen zu gewährleisten, die im Rahmen der ersten Impfung keine Immunität entwickeln (Impfversager).6 Nach zweimaliger Impfung wird eine lebenslang bestehende Immunität angenommen.2

 

2.2 Inhaltsstoffe und Herstellung

Die in der Impfung verwendeten Masern- und Mumps-Viren wurden in Hühnerembryozellen gezüchtet, die Rötel-Viren hingegen stammen aus humanen diploiden Zellen (diploide Zellen sind Zellen, die einen doppelten Chromosomensatz besitzen, d.h., dass jedes Chromosom zweifach vorkommt). Die in den MMRV-Impfstoffen zusätzlich befindlichen Varicella-Viren wurden ebenfalls in humanen diploiden Zellen gezüchtet.

Je nach Impfstoff sind noch weitere Bestandteile in der Impfung enthalten, wie zum Beispiel Sorbitol (= Zuckeraustauschstoff), Lactose (= Milchzucker), Natriumphosphat, Kaliumphosphat und Neomycin (= Antibiotikum).7,8,9,10

 

2.3 Impfwirkungen und -nebenwirkungen

Gegenanzeigen: Wann man nicht impfen sollte

Von einer Impfung wird unter bestimmten Gegebenheiten abgeraten. Dazu zählt zuallererst eine Überempfindlichkeit gegen Impfstoffbestandteile. Gerade die Allergie auf Hühnereiweiß steht hier häufig im Mittelpunkt der Betrachtung, allerdings lässt sich die Impfung unter besonderer Vorsicht auch bei einer solchen Allergie anwenden.11

Weitere Gegenanzeigen sind eine bestehende Schwangerschaft (bis 4 Wochen nach der Impfung sollte eine Schwangerschaft verhindert werden), Fieber > 38,5 °C sowie Immunschwäche (Immunsuppression und Immundefizienz).7,8,9,10

 

Nebenwirkungen:

sehr häufig: Schmerzen/Rötung an der Injektionsstelle, Fieber ≥ 38°C

häufig: Reizbarkeit, Hautausschlag (Exanthem), Schmerzen am Injektionsort, Fieber ≥ 39,5°C

gelegentlich: Infektionen der oberen Atemwege, Lymphknotenschwellung (Lymphadenopathie), Nasenschleimhautentzündung (Rhinitis), Bindehautentzündung (Konjunktivitis), Unwohlsein, Müdigkeit

selten: Mittelohrentzündung (Otitis media), Fieberkrämpfe, Husten, Entzündung der Bronchien (Bronchitis), Vergrößerung der Ohrspeicheldrüse, Durchfall (Diarrhoe), Übelkeit (Emesis)12

 

Weitere Hinweise:

Nach der Impfung kann es zu Impfröteln kommen. Das heißt, der Körper kann mit Hautausschlag, geschwollenen Lymphknoten, Fieber, Halsschmerzen, Kopfschmerzen und Gelenkbeschwerden auf die Impfung reagieren. Diese sind aber nicht ansteckend. Im Zeitraum von 7 bis 28 Tagen nach der Impfung tritt eine Ausscheidung des Rötelnvirus über das Rachensekret auf. Die Übertragung von Masern-, Mumps oder Rötelnviren von einer geimpften Person auf empfängliche Kontaktpersonen ist jedoch nicht bekannt.7,8,9,10

Bei den MMRV-Impfstoffen hat sich gezeigt, dass das Varicella-Impfvirus von geimpften Personen, die nach der Impfung einen Hautausschlag entwickelt haben, mit einer sehr niedrigen Rate auf Personen übertragen werden kann, die über keine schützenden Antikörper verfügen. Geimpften Personen wird geraten, enge Kontakt zu empfänglichen Personen mit einem hohen Risiko für eine Windpockenerkrankung bis zu 6 Wochen nach der Impfung zu vermeiden. Dies gilt auch, wenn es zu keinem windpockenähnlichen Ausschlag gekommen ist, da eine Übertragung des Varicella-Impfvirus von einer geimpften Person ohne Hautausschlag auf Personen ohne schützende Antikörper nicht ausgeschlossen werden kann.7,10

 

Sonstiges:

Vor der Impfung sollte sichergestellt werden, dass die zu impfende Person nicht an Tuberkulose erkrankt ist. Außerdem ist nach der Impfung mit bestimmten Impfstoffen Vorsicht bei der Gabe von Antikörpern und Bluttransfusionen geboten. 

 

Zusatzwissen

Die Tuberkulose gilt für viele der Impfstoffe als Gegenanzeige, auch Kontraindikation genannt. Daher muss vor einer Impfung eventuell mit einem Tuberkulin-Hauttest ausgeschlossen werden, dass bei dem Patienten eine Tuberkulose vorliegt. Ein solcher Tuberkulintest sollte vor oder gleichzeitig mit der Impfung erfolgen, da durch kombinierte Masern-Mumps-Röteln-Lebendimpfstoffe die Tuberkulinempfindlichkeit der Haut zeitweise herabgesetzt werden kann. Diese verminderte Reaktion kann bis zu maximal 6 Wochen anhalten, sodass zur Vermeidung falsch negativer Ergebnisse ein Tuberkulintest innerhalb dieses Zeitraums nach der Impfung nicht durchgeführt werden sollte.(7,8)

Die zeitgleiche Gabe von Immunglobulinen und M-M-RVAXPRO kann die zu erwartende Immunantwort beeinträchtigen, sodass eine Impfung frühestens 3 Monate nach Blut- oder Plasmatransfusionen oder der Gabe von Human-Immunglobulinen erfolgen sollte. Bei der Gabe von Blutprodukten mit Masern-, Mumps- oder Röteln-Virus-Antikörpern, einschließlich Immunglobulin-Präparaten, sollte die Impfung mit M-M-RVAXPRO mindestens einen Monat zurückliegen.(9)

3. Aktuelles

Es besteht eine namentliche Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Röteln sowie bei einem konnatalen Rötelnsyndrom und dem Nachweis des Rubellavirus.1

Neben der Eliminierung von Masern ist auch die Eliminierung von Röteln erklärtes Ziel der WHO, dem sich auch Deutschland verpflichtet hat.13

Anfang des Jahres 2020 hat das indische Gesundheitsministerium zusammen mit der WHO, UNICEF und anderen Partnern eine vier-wöchige Impfinitiative in den Flüchtlingscamps in der Region um Cox’s Bazar unternommen, um über 315.000 Rohingya Geflüchtete im Kindesalter von 6 Monaten bis 10 Jahren gegen Masern und Röteln zu impfen.14

Aber auch in Europa ist das Ziel der Eliminierung von Röteln noch nicht erreicht. 2017 hatten 35 der 53 Staaten der europäischen WHO-Region die Elimination von Masern und Röteln erklärt. In Deutschland konnte eine dauerhafte Unterbrechung der endemischen Transmission, d.h. der Infektionskette für Masern und Röteln, im Jahr 2017 jedoch noch nicht nachgewiesen werden.13

 

4. Auffrischung und Impfung im späteren Lebensalter

Liegt der Nachweis über zwei erfolgte Impfungen vor, ist von einer Immunität auszugehen. Ein Nachweis von Antikörpern im Blut (Titerkontrolle) im Verlauf ist nicht vonnöten. Der serologische Nachweis von Antikörpern mittels eines ELISA-Tests ist nur bei Schwangeren ohne entsprechende Nachweise einer bestehenden Immunität sinnvoll. Bei diesem immunologischen Verfahren wird das Serum (= flüssiger Bestandteil des Blutes) des Patienten in Teströhrchen gegeben, welche die passenden Antigene der zu untersuchenden Antikörper enthält. Wenn der Patient Antikörper gegen eine Erkrankung besitzt, binden diese an die Antigene im Teströhrchen. Wenn es zu einer Bindung der Antikörper des Patienten an die Antigene im Teströhrchen kommt, kann dies in weiteren Reaktionen sichtbar gemacht werden. Dabei wird bei dieser Untersuchung international ein Wert von 10-15 IU/ml im ELISA-Test als schützender Titer angesehen.15

Fehlende Impfungen bei Kindern und Jugendlichen sollten schnellstmöglich bis zu einem Alter von 18 Jahren nachgeholt werden. Bei unbekanntem Impfstatus oder Nicht- bzw. nur Einmal-Geimpften soll einmalig eine MMR-Impfung verabreicht werden.

Bei ungeimpften Frauen im gebärfähigen Alter oder Frauen im gebärfähigen Alter mit unklarem Impfstatus empfiehlt die STIKO jedoch eine zweifache Rötelnimpfung.

Impfungen in der Schwangerschaft sind jedoch kontraindiziert, da es sich bei der Impfung um einen Lebendimpfstoff handelt. Nach Impfung mit einem Lebendimpfstoff sollte eine Schwangerschaft für einen Monat vermieden werden.16

 

5. STIKO-Stellungnahme

Von der Ständigen Impfkommission, kurz STIKO genannt, gibt es Hinweise und Empfehlungen zur Rötelnimpfung. Nach Empfehlung der STIKO sollte eine 1. Gabe des MMR-Impfstoff im Alter von 11-14 Lebensmonaten und eine 2. Gabe MMR-Impfstoff im Alter von 15-23 Lebensmonaten erfolgen. Dabei sollte die 2.Gabe frühestens 4 Wochen nach der 1. Gabe erfolgen.

Eine Impfung ist auch schon ab dem 9. Lebensmonat möglich, davor ist eine Impfung aber nicht zulassungskonform und sollte nur in Rahmen von Ausbrüchen erfolgen.

Sollte jedoch in einem Alter unter 11 Monaten geimpft werden, muss die 2. Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahrs erfolgen, da persistierende maternale Antikörper im 1. Lebensjahr die Impfviren neutralisieren können. Zudem sollten Säuglinge, die vor dem 9. Lebensmonat geimpft wurden, zum Aufbau einer langfristigen Immunität 2 weitere Dosen MMR-Impfstoff im 2. Lebensjahr erhalten.

Wichtig ist: Eine Impfung vor dem empfohlenen Alter kann beispielsweise durch Kontakt mit einem Masernerkranken gerechtfertigt sein. Alternativ können auch Immunglobuline injiziert werden. In diesem Falle sollte aber beachtet werden, dass eine MMR-Impfung innerhalb der nächsten 5-6 Monate nicht sicher wirksam ist.11

 

6. Impfempfehlungen in anderen Ländern

Im europäischen Raum werden allgemein zwei MMR-Impfungen empfohlen. Die Empfehlung der ersten Impfung liegt dabei sehr einheitlich in etwa beim Zeitraum um den ersten Geburtstag herum. Unterschiedlich sind hingegen die Empfehlungen für die zweite Impfung. Hier reichen die Angaben von 15 Monaten bis zum 15. Lebensjahr. Kroatien stellt beispielhaft eines der europäischen Länder dar, in denen die zweite Rötelnimpfung einige Jahre später als in Deutschland erfolgt. Während Kinder in Kroatien die erste Impfung bereits mit 12 Monaten erhalten, wird die 2. Impfung Kindern zwischen 5 und 7 Jahren in der 1. Schulklasse verabreicht. Zudem ist die zweifache Impfung gegen Röteln in Kroatien verpflichtend.17

 

7. Weiterführende Literatur

Weitere Informationen zur Pathogenese:

Das Hüllenglykoprotein E1 vermittelt die Aufnahme der Viren über die Oberfläche der menschlichen Zellen (Adsorption) und zusammen mit dem Hüllenglykoprotein E2 auch die Verklumpung der roten Blutkörperchen (Hämagglutination) sowie die Zellfusion. Außerdem hat das Hüllenglykoprotein E1 auch einen Wert als diagnostischen Marker.2Den Virus-Antikörper-Komplexen wird eine Rolle bei der Entstehung des Hautausschlages und der Gelenkschmerzen zugeschrieben.18

 

Weitere Informationen zur Diagnostik:

Der Nachweis des Rötelnvirus-Genoms aus dem Rachenabstrich und der Urinprobe erfolgt durch eine Reverse-Transkription-PCR. Im Serum können sowohl Röteln-spezifische IgM-Antikörper und/oder ein Anstieg der IgG-Antikörper zur Diagnostik vermessen werden.2

 

Weitere Informationen zu den Impfwirkungen, -nebenwirkungen und Gegenanzeigen:

Bei bestimmten MMR(V)-Impfstoffen gibt es zusätzliche Kontraindikationen wie eine unbehandelte Tuberkulose, pathologische Blutbildveränderungen, Leukämie, Lymphome oder andere Malignome mit Auswirkung auf das hämatopoetische oder lymphatische System.9,10

Außer den im Abschnitt 2.3 angesprochenen Nebenwirkungen gibt es noch einige weitere, die aufgrund ihrer Seltenheit jedoch nicht in ihrer genauen Häufigkeit angegeben werden können. Zu Nebenwirkungen unbekannter Häufigkeit zählen die Meningitis, Masern-ähnliches Syndrom, Mumps-ähnliches Syndrom (einschließlich Orchitis, Epididymitis und Parotitis), Thrombozytopenie, thrombozytopenische Purpura, anaphylaktische Reaktionen, Enzephalitis, Zerebellitis, Zerebellitis-ähnliche Symptome (einschließlich vorübergehender Gangstörungen und vorübergehender Ataxie), Guillain-Barré-Syndrom, transverse Myelitis, periphere Neuritis, Vaskulitis, Erythema exsudativum multiforme, Arthralgie, Arthritis.12

 

8. Quellen

1.     https://next.amboss.com/de/article/7404kT#Z02c70f5d38bd4c5ec6964cca8df467ca (26.09.2020), Röteln, in: amboss.de

2.     https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Roeteln.html (10.01.2021), Röteln-RKI-Ratgeber, in: Webseite des Robert-Koch-Instituts

3.     Ludwig Gotner, Sascha Meyer (2018), Duale Reihe Pädiatrie 5. Auflage, Kapitel Röteln

4.     Ania Carolina Muntau (2018), Pädiatrie Hoch2, S. 198-199

5.     https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/roeteln/roeteln-node.html (06.09.2020), Röteln-Impfstoffe, in: Website des Paul-Ehrlich-Instituts

6.     https://www.amboss.com/de/wissen/Impfungen_allgemein (29.10.2020), Impfungen allgemein, in: amboss.de

7.     https://www.gsk-arzneimittel.de/assetManager.xm?action=getFi&id=03754567 (02.09.2020), Fachinformation, in: Website des GSK

8.     https://www.gsk-arzneimittel.de/assetManager.xm?action=getFi&id=08627744 (02.09.2020), Fachinformation, in: Website des GSK

9.     https://www.msd.de/fileadmin/files/fachinformationen/mmr_rvaxpro.pdf (02.09.2020), Fachinformation, in: Website des MSD

10.  https://www.msd.de/fileadmin/files/fachinformationen/proquad.pdf (02.09.2020), Fachinformation, in: Website des MSD

11.  https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ-Liste_Roeteln_Impfen.html?nn=2375548 (14.10.2020) Schutzimpfung gegen Röteln: Häufig gestellte Fragen und Antworten, in: Website des Robert-Koch-Instituts

12.  https://www.gelbe-liste.de/impfung/roeteln-impfung (30.10.2020), Röteln-Impfung, in: Gelbe Liste Pharmaindex

13.  https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/NAVKO/NAVKO_node.html (06.09.2020), Nationale Verifizierungskommission Masern/Röteln beim Robert Koch-Institut, in: Website des Robert-Koch-Instituts

14.  https://www.who.int/news-room/detail/12-01-2020-measles-and-rubella-vaccination-campaign-launched-to-protect-315-000-rohingya-refugees-in-cox-s-bazar (06.09.2020), Measles and Rubella vaccination campaign launched to protect 315,000 Rohingya refugees in Cox’s Bazar, in: Website der World Health Organization

15.  https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_AllgemeineFragen/FAQ10.html (28.08.2020) Vorgehen bei Frauen im gebärfähigen Alter zur Vermeidung von Röteln und Varizellen in der Schwangerschaft, in: Website des Robert-Koch-Instituts

16.  https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/40_18.pdf?__blob=publicationFile (16.10.2020) Epidemiologisches Bulletin RKI-Ratgeber Röteln, in: Website des Robert-Koch-Instituts

17.  https://vaccine-schedule.ecdc.europa.eu/Scheduler/ByDisease?SelectedDiseaseId=10&SelectedCountryIdByDisease=-1 (14.10.2020) Rubella: Recommended vaccinations, in: Website des European Centre for Disease Prevention and Control

18.  Klaus Miksits, Helmut Hahn (2003), Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, S. 90-91