'Ich lasse mich impfen weil...' Interview mit Dr. Corman, Virologe an der Charité Berlin

Interview mit Dr. Corman, Virologe an der Charité Berlin

1) Varizellenimpfung

Was sagen Sie zu der Hypothese, dass gegen Varizellen geimpfte Mütter einen schlechteren Nestschutz an ihre Kinder weitergeben, als Mütter, die an Windpocken im Kindesalter erkrankt sind?

Das ist eine interessante Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Der weiterzugebene Nestschutz hängt auch von dem Zeitpunkt ab, an dem die Mutter geimpft bzw. infiziert wurde. Da es sich bei der Varizellenimpfung um eine Lebendimpfung handelt, sollte sie hinsichtlich des Nestschutzes den gleichen oder ähnlichen Effekt wie eine Infektion mit dem Wildvirus haben. Um dies wissenschaftlich zu belegen, wären zwei Kohorten nötig: Man müsste in Studien die Mütter, die beispielsweise wie nach STIKO empfohlen im zweiten Lebensjahr geimpft wurden, mit denjenigen vergleichen, die genau im zweiten Lebensjahr die Erkrankung durchgemacht haben.

Betrachtet man auch das Risiko einer Varizellen-Infektion in der Schwangerschaft an sich, könnte man über den besten Zeitpunkt der Impfung reden. Aber wenn man wie üblicherweise nur den IgG-Titer (Einschub von impf-dich: Maßeinheit für die gebildeten Antikörper) testet, könnte man damit jedoch nur die humorale Immunantwort nachweisen, die T-Zell-Antwort, die auch zur Immunität beiträgt, ist nicht routinemäßig messbar.

Was halten Sie davon, Jugendliche erst ab einem Alter von 16 Jahren gegen Varizellen zu impfen, wenn die Gefahr der Komplikationen steigt und sie bis dahin die Erkrankung nicht "durchgemacht haben"?

Als die Varizellenimpfung 2006 eingeführt wurde, wollte die STIKO nach 5 Jahren evaluieren, ob die drei Hauptziele erreicht wurden, die Krankheitslast, Hospitalisierung und Komplikationsrate zu reduzieren. Diese Evaluation ist erfolgt und die STIKO hat ihre Impfempfehlung erneuert. Eventuell könnte man bestimmten Gefährdungsgruppen wie ungeimpften Frauen mit Kinderwunsch , die durch eine Infektion nicht nur sich sondern auch ihr ungeborenes Kind gefährden können, eine Impfung bestenfalls vor der Schwangerschaft empfehlen, damit sie den Nestschutz optimal an ihr Kind weitergeben.  

Aber laut STIKO ist die Erstimpfung im Alter von 9-10 Monaten empfohlen und die 2. Varizellenimpfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahres…

Es handelt sich hierbei um eine pragmatische, der gesellschaftlichen Situation angepasste Entscheidung der STIKO, früh zu impfen.
Die Auffrischung könnte theoretisch auch nach dem 5. oder 6. Lebensjahr geimpft werden. Allerdings ist eine Impfung in gesellschaftlicher Hinsicht nach dem 5./6. Lebensjahr kritisch, weil man einerseits eine Durchimpfung vor der Einschulung erreichen möchte und andererseits das Impfen mit zunehmenden Alter vernachlässigt wird. Und Jugendliche gehen erst recht nicht mehr gern zum Arzt und somit zum Impfen…

Könnte man die Nachfrageaufgabe dann nicht mehr auslagern? Z.B. könnte man den Gynäkologen auftragen, neben der HPV-Impfung auch auf die Varizellenimpfung hinzuweisen.

Nein, ich halte das für keine gute Idee. Das würde die Zuständigkeiten verkomplizieren und den Jungen, die ja nicht zum Gynäkologen gehen, wäre damit nicht geholfen.


2) HPV-Impfung

Zitat aus der Brochure ‚IMPFEN - Hilfen zur freien Entscheidung‘ von KARL-REINHARD KUMMER (S.41):
,,Ob aber durch die Impfung in über 20 Jahren wirklich ein wesentlicher Schutz vor einem Gebärmutterhalskrebs erreicht wird, darf bezweifelt werden. Langzeitstudien liegen nicht vor. Ein kritisches Journal kommt zu der Schlussfolgerung, dass ein positiver Effekt dieser Impfung auch längerfristig kaum nachweisbar sein werde. Auch über sieben Jahre nach der Einführung der Impfung liegt kein Material vor, das seine Wirksamkeit gegen die eigentliche Krebserkrankung beweisen würde. Es ist noch nicht ausreichend geklärt, ob es durch die Impfung zu einer Veränderung des Spektrums der beteiligten Untergruppen des Virus kommt (sog. „Serotype-Shift). Als Folge wird befürchtet, dass die jetzigen Impfstoffe Gardasil® und Cervarix® u. U. immer weniger schützen werden. Das ist vermutlich auch so, obwohl die Anzahl der Virusantigene in den Impfstoffen 2014 erhöht wurde. Die kritische Durchsicht der Unterlagen lässt allenfalls eine Wirksamkeit der Impfung gegen ca. max. 70 Prozent der beteiligten Virusuntergruppen in den Krebsvorstufen vermuten. Einige Kritiker der Impfung halten regelmäßige gynäkologische Untersuchungen für effektiver als die Impfung. Durch regelmäßige frauenärztliche Untersuchung alle zwei Jahre können 90 Prozent der Veränderungen im gut behandelbaren Frühstadium erkannt werden.‘‘

Stimmt es, dass nur ca. max. 70% der an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs beteiligten Virusuntergruppen durch die Impfung abgedeckt werden?

Es gibt Daten, dass die neun im Impfstoff enthaltenen Typen 70-90% der Erkrankungen verhindern können. Bei der Frage zeigt das „nur“ die falsche Betrachtungsweise. Man hört auch oft die Frage, ob die HPV-Impfung gynäkologische Untersuchungen ersetzen kann. Nein, das war nicht der Grund für die Einführung der Impfung. Natürlich müssen die regelmäßigen Untersuchungen weitergeführt werden. Der PAP-Abstrich ist jedoch sehr abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Man überlegt mittlerweile, ob man ihn durch einen Papillomvirusnachweis ergänzt, da eine negative PCR (Einschub von impf-dich: „Virus-DNA-Untersuchung“) aussagekräftiger ist als ein unauffälliger Abstrich. Die allermeisten Frauen mit Veränderungen im PAP-Abstrich oder in der PCR bekommen keinen Krebs. Trotzdem, die Dysplasie als eine seltenere Komplikation der HPV-Infektion gilt es zu verhindern, daher impfen wir.

Ist die Angst begründet, dass durch einen Serotyp-Shift der beteiligten Untergruppen des Virus durch die Impfung, in Zukunft der Schutz durch die Impfung abnehmen könnte?
(Ergänzung von impf-dich: Serotyp = Untergruppe von Bakterien und Viren;
                                                Serotyp-Shift = Veränderung des Anteils einer spezifischen Untergruppe)

Ein Serotyp-Shift wurde beobachtet bei Haemophilus influenzae und Pneumokokken. Wenn man einen Serotyp-Shift vermutet, muss man zuerst fragen: „Hat die Krankheitslast aller Typen über die Zeit oder nach der Impfung insgesamt abgenommen?“ Die Krankheitslast ist schließlich der entscheidende Parameter. Man muss sich die absoluten Zahlen angucken und nicht nur schauen, ob ein Serotyp anteilig größer geworden ist.
Bei Haemophilus influenzae und Pneumokokken handelt es sich um Bakterien: Sie besiedeln viele Menschen, ohne Erkrankungen auszulösen. Durch die Impfung gegen ein Bakterium kann in der Bakterienlandschaft des Körpers ein Platz frei werden, den ein anderes Bakterium besiedeln kann. Viren hingegen sind typischerweise nichtbesiedelnd, wenn man sie in Analogie mit Bakterien betrachtet. Theoretisch ist es aber auch bei Viren möglich, dass eine Verschiebung einzelner Typen entsteht, dies müsste man allerdings auf längere Zeit beobachten.
Auf der anderen Seite kann es gut sein, dass z.B. die HPV-Impfung besser und breiter schützt als die Erkrankung, da sich eine HPV-Infektion (in der Regel ein Typ)  in der (Schleim)haut abspielt, während die Impfung (mehrere Typen) systemisch wirkt.

(Ergänzung von impf dich: Laut STIKO wurde in einer Studie gezeigt, dass die HPV 16- und HPV 18-Antikörper-Antworten nach Impfung mit dem bi- oder quadrivalenten Impfstoff über mehrere Jahre deutlich höher sind als nach einer Immunantwort nach natürlicher Infektion.)

3) Masernimpfung

Zitat aus der Brochure ‚IMPFEN - Hilfen zur freien Entscheidung‘ von KARL-REINHARD KUMMER (S.28): "Die Krankheitszeichen zeigen deutlich, wie die Masern den ganzen Organismus durchgestalten. Und: Wenn der Ausschlag aufgetreten ist, muss er wieder abgebaut werden. Das kommt einem „Großreinemachen“, mit nachweisbar positiven Folgen gleich: Aus dem Serum von an Masern Erkrankten kann man Faktoren isolieren, die Tumore verhüten können. Allergien sind nach Masern seltener. Wie durchgreifend das Geschehen ist, kann man z. B. daraus ersehen, dass eine Tuberkulinprobe, mit der man die Abwehrbereitschaft gegen Tuberkulose testen kann, drei Monate nach durchgemachten Masern zunächst negativ ausfallen kann und später wieder positiv wird. Die offizielle Darstellung schildert nur die Immunschwäche, aber nicht deren Überwindung."

Was halten Sie von den Postulierungen zur Tumorverhütung und Erhöhung der Abwehrstärke des Organismus nach einer Maserninfektion, wohingegen Impfbefürworter doch immer über eine Immunschwäche mehrere Monate nach der Infektion mit Gefahr einer Superinfektion sprechen?

Alle Fakten sprechen dagegen. Nach einer Masernerkrankung tritt nachweislich eine Lymphopenie und eine passagere Immunschwäche auf. Kinder mit vorangegangener Infektion sind in dem Zeitraum danach wesentlich kränker, als Kinder, die nicht mit Masern infiziert waren. Da gibt es keine Diskussion. Für eine Tumorverhütung durch Masernimpfung gibt es keine solide Datengrundlage. Man sollte sich nicht nur eine, sondern 100 Studien anschauen, um wissenschaftlichen Konsens zu erreichen…

4) Mumpsimpfung

http://impformation.org/de/blog/grundlagen/trittbrettfahrer_der_herdenimmunitaet/2017-04-14/87/
„Die Impfung ist nicht gerade für ihre besonders hohe, bzw. lang anhaltende Effektivität berühmt. Bei einem Ausbruch unter Studenten der Harvard-Universität waren nahezu alle bestätigten Fälle geimpft. http://www.cambridgepublichealth.org/news/article.php?id=171
Durch die Massenimpfungen hat sich das Erkrankungsalter immer weiter nach hinten verschoben, dazu das Robert Koch-Institut (RKI): „Als Ursache für die Altersverschiebung und die Infektionen unter zweifach Geimpften werden vor allem ein über die Zeit abnehmender Impfschutz (Waning immunity), eine mangelnde Boosterung durch weniger zirkulierende Wildviren aufgrund von steigenden Impfquoten unter Kindern […] diskutiert.“https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Mumps.html 
Die v.a. gefürchtete Komplikation einer Hodenentzündung mit folgender Unfruchtbarkeit tritt allerdings vorwiegend nach der Pubertät auf, wo früher 90% der Jungen bereits eine natürliche Immunität erworben hatten. Anders gesagt hat die Impfung also den gefürchteten Komplikationen erst Vorschub geleistet, die sie eigentlich verhindern sollte. Davon abgesehen scheint eine Herdenimmunität durch diesen Impfstoff also nicht zu existieren.“

Sehen Sie ähnlich wie die Arbeitsgruppe Impformation eine Gefahr darin, dass eine mangelnde Boosterung aufgrund von weniger zirkulierender Wildviren zur gesellschaftlichen Gefahr werden kann, indem beispielsweise die Krankheit Mumps in höherem Alter auftritt und dann schwerwiegendere Folgen hat?

Dadurch dass man impft, wird die Erkrankung seltener. Das gehört zum Sinn der Impfung. Dadurch wird auch der Kontakt zum Pathogen seltener. Das ist ebenfalls ein Fakt und Sinn der Impfung. Das Risiko zu erkranken steigt selbstverständlich auch mit dem Alter, weil man mehr Zeit hatte, um dem Virus ausgesetzt zu sein. Bei der Mumps-Impfung gibt es immer wieder Berichte von Impfdurchbruchsdiskussionen, d.h. dass Personen erkranken, obwohl sie geimpft wurden. Der Serotyp des Virus, der die Erkrankung in den Fällen ausgelöst hat, wurde möglicherweise nicht von den Impfungen abgedeckt, oder die Immunität hat nachgelassen. Somit wäre es evtl. hilfreich, den Impfstoff weiterzuentwickeln oder weitere Impfdosen zu verabreichen.

5) Pertussis

Centers for Desease Control and Prevention‘ (CDC): „Since pertussis spreads so easily, vaccine protection decreases over time, and acellular pertussis vaccines may not prevent colonization (carrying the bacteria in your body without getting sick) or spread of the bacteria, we can't rely on herd immunity to protect people from pertussis.“https://www.cdc.gov/pertussis/about/faqs.html 
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußerte sich noch bis vor kurzem gegenüber der Kokon-Strategie: „Neonatal immunization, and vaccination of pregnant women and household contacts (“cocooning”) against pertussis is not recommended by WHO“

Warum verweist das RKI im Fall von Pertussis (Keuchhusten) Ihrer Meinung nach auf die angebliche Wichtigkeit des sog. Cocooning, also alle im Haushalt lebenden Personen ggf. nachimpfen zu lassen, um ein Baby zu schützen, wenn zugleich die WHO davon abrät und das US-amerikanische CDC sogar behauptet, dass der azelluläre Pertussisimpfstoff keine Kolonisierung mit dem Virus verhindern kann?

Der ursprüngliche Pertussisimpfstoff wurde durch einen azellulären Impfstoff ersetzt, da er lästige Nebenwirkungen wie Fieber, Ausschlag und Abgeschlagenheit hatte. Wahrscheinlich hat unter dem neuen Impfstoff der Effekt auf die Kolonisierung abgenommen. Im Serum können IgG-Spiegel bestimmt und dies überprüft werden. Meiner Meinung nach ist das Risiko einer Kolonisation höher, wenn der IgG-Titer niedriger ist. Die STIKO empfiehlt die Impfung, da das Risiko der Übertragung dadurch trotzdem reduziert werden kann. Für das RKI reicht das aus, für das CDC anscheinend nicht.

6) Fazit

Wie kann man Ihrer Meinung nach das Impfgeschehen in Deutschland verbessern?

Impfmüdigkeit ist im Vergleich zur unwissenschaftlichen Impfkritik das größere Problem. Außerdem bedauernswert: Man vertraut Ärzten z.B. bei der Einnahme von Antibiotika, aber nicht beim Impfen. Wir machen beim Impfen etwas Lästiges gegen eine imaginäre Gefahr, die wir im Zweifelsfall gar nicht mehr kennen. Wie viele Poliofälle kennen Sie? Keine? Eben. Erst das Warten im Wartezimmer, dann hat der Arzt wenig Zeit, um über das Thema ausführlich zu sprechen und dann muss das Kind oder man selber auch bei den meisten Impfungen noch gestochen werden…

Würde eine Impfapp helfen?

Definitiv. Schon jetzt helfen die ausgedruckten Pläne auf dem Vorsorgeheft eines Kindes mit genauen Slots für die nächsten Impfungen. Es ist aber manchmal schwierig. Der Impftermin steht an und dann ist das Kind krank. Dann will man in den Urlaub fahren. Dann ist die Arztpraxis über die Feiertage geschlossen usw. Wichtig wäre auch, Eltern besser darüber aufzuklären, ab wann ein Kind zu krank ist für eine Impfung. Ein fiebernder Infekt stellt einen Grund dar, die Impfung zu verschieben. Ein leichter Schnupfen allerdings nicht.

Und wenn man alle Register zieht und eine Impfpflicht einführt?

Ich bin gegen das Einführen einer Impfpflicht, da dadurch eventuell Besuche beim Kinderarzt vermieden werden. Sobald der Staat verpflichtet, nicht geimpfte Kinder zu melden, wird die Vertrauensbasis zwischen Ärzten und Eltern zerstört. Diese sollte auf jeden Fall erhalten werden!

Ich lasse mich impfen, weil…
… Impfungen helfen, Krankheiten zu verhindern und ich Fakten mehr glaube als Fake News.